Es gibt kaum eine Redaktion, die sich nicht überlegt, wie sie ihre Inhalte, die sie für Print, Radio oder TV herstellt, cross- und multimedial (noch) besser aufarbeiten kann. Gerade kleinere Redaktionen können die dafür notwendige Konzeptarbeit neben der Alltagsarbeit kaum leisten. Wenn dann auch noch die Ressourcen für die Umsetzung fehlen, ist der Frust vorprogrammiert.
Das sei an dieser Stelle ganz deutlich gesagt: Mehr Output braucht mehr Ressourcen. Erst recht dann, wenn Online / Social Media als eigenständige Kanäle ernst genommen werden und nicht nur Teaser für Print sind.
Man kann mit geeigneter Planung den Druck etwas abschwächen. Mehr aber auch nicht. Alles andere ist Augenwischerei. Der Mangel an Ressourcen wird sich allerdings erst entschärfen, wenn Medien dem Publikum etwas bieten können, wofür die User und Werber Geld in die Hand nehmen. Und das muss gut sein – denn Durchschnitt gibt’s im Web massenweise gratis.
Mir ist bewusst, dass mein folgender Vorschlag rudimentär ist und der komplexen Realität nicht vollständig gerecht wird. Dennoch glaube ich, dass diese Anleitung, die ich seit 2007 in vielen Workshops und Praxiseinsätzen auf Redaktionen entwickelt habe, gerade kleineren Redaktionen helfen kann, zu einer für sie umsetzbaren Strategie zu kommen. Denn mindestens so oft wie an Ressourcen fehlt es an klaren und verbindlichen Vorstellungen darüber, was man eigentlich will. Und ohne ein klares Ziel ist eine erfolgreiche Umsetzung unmöglich.
Was eine zielführende Strategie beinhalten muss
Wer cross- und multimedial arbeiten will, muss eine klare Strategie haben und ganz klare Antworten auf folgende Fragen geben können:
Was (Inhalte, Form, Länge) und
was nicht (Verzichtsplanung) bekommt das (erweiterte) Publikum
wann (Publikationstermin, Kadenz) auf
welchem Kanal / welcher Kombination von Kanälen (Print, Online, Social Media, …)
warum (publizistisches Konzept vs. Publikumsbedürfnisse)?
Wer (Zuständigkeit, Verantwortung) macht es in
welchem Zeitraum (Planung)
womit (Ressourcen, Know-how, Infrastruktur) und
wie (Prozesse, Abläufe, Organisation)?
In 11 Schritten zu einer zielführenden Strategie
Arbeite – am besten mit deinem ganzen Team (ich würde alle dazu einladen, also etwa auch das Sekretariat und die IT) – folgende Fragen der Reihe nach ab. Sinvollerweise nehmt ihr euch einen Tag Zeit dafür:
- Wofür steht unser Medium? Beschreibe sowohl die Funktionen (z.B. wichtigstes Informationsmedium der Region) wie auch eure Aufgaben («Chronistenpflicht», «Publikumsnähe», etc.) und vergiss nicht, in Adjektiven zu denken (also etwa «glaubwürdig», «kritisch», «sorgfältig», «witzig» usw.).
- Wer ist heute unser Publikum? Skizziere die wichtigsten Typen, nutze evtl. vorhandene Erhebungen über euer Publikum.
- Gibt es Leute, die unser Medium nicht nutzen, die sich aber für unsere Themen interessieren? Überleg dir, welche Mediennutzungstypen es sonst noch gibt, die ihr mit eurem Medium nicht erreicht (Alter, Geschlecht, Beruf/Bildungsniveau, Wohnort, etc.). Und überleg dir auch, ob es noch andere Gründe gibt, warum ihr diese Leute nicht erreicht (z.B.: sie verstehen nicht, dass das Thema etwas mit ihnen zu tun hat und fühlen sich deshalb nicht betrof dfen).
- Welche Kanäle nutzen diese Leute? Ordne den bisher nicht erreichten Interessierten die Kanäle zu, die diese nutzen. Evtl. lohnt es sich, weitere Daten über Mediennutzung beizuziehen (z.B. Studien zur allg. Mediennutzung).
- Welche zusätzlichen Kanäle machen für unser Medium also Sinn? Aus den Antworten auf die weiter oben gestellten Fragen müsst ihr nund euer Angebot an Kanälen bestimmen. Achtung: Die Antwort auf diese Frage hängt nicht davon ab, ob ihr persönlich diese Kanäle gut findet, sondern ob sich der Aufwand lohnt.
- Was bedeutet das, wofür unser Medium steht (siehe 1. Frage), für unsere zusätzlichen Kanäle Online / Social Media? Nun müsst ihr konkrete «Übersetzungsarbeit» leisten. Sind animierte Gif ernsthaft genug für unseren Anspruch? Was heisst es z.B. für euren Facebookauftritt, wenn ihr ein glaubwürdiges Informationsmedium sein wollt? Was bedeutet die Möglichkeit, auf digitalen Kanälen dauernd publizieren zu können für einen TV-Sendung, die einmal in der Woche ausgestrahlt wird?
- Wie präsentieren wir unsere Inhalte? «Copy-paste» von bestehenden Inhalten und automatisierte Verbreitung funktionieren nicht, weil jeder Kanal seine Eigenheiten hat. Wie macht ihr euch die Eigenschaften der einzelnen Kanäle zunutze?
- Wann (wie viel und in welcher Kadenz) publizieren wir? Überlegt euch, wie viel euer Publikum von euch erwartet. Dann, wie ein zu Ihrer Marke passendes Angebot aus publizistischer Sicht ausgestaltet sein müsste (siehe Antwort auf Frage 1). Anschliessend gleicht ihr eure Liste mit euren Ressourcen ab und beginnen mit einer Verzichtsplanung, indem ihr Prioritäten setzt.
- Wer plant? Gerade wenn Ressourcen knapp sind, ist diese Frage zentral. Denn vorausschauendes Planen (in Themen denken, dann in Kanälen; das heisst, bei der Recherche schon an verschiedene Elemente denken) schont Ressourcen.
- Wer setzt um? Gibt es eine zentrale Stelle, die Inhalte auf den digitalen Kanälen verbreitet, oder ist jeder selber dafür zuständig? Wer sorgt dafür, dass die verschiedenen Auftritte zur Marke passen (siehe Frage 1)?
- Mit welchen Ressourcen und welcher Infrastruktur? Die besten Ideen können nicht umgesetzt werden, wenn niemand ein Video schneiden kann oder der Computer zu langsam ist. Eine ehrliche Planung der zusätzlichen Arbeitszeit und der notwendigen Anschaffungen ist deshalb entscheidend.