06.01.2014

Offener Brief an Hanspeter Lebrument

Sehr geehrter Herr Lebrument!

Sie kennen mich nicht. Und ich hätte nicht gedacht, dass sich das noch ändern würde. Aber nach Ihrem Gastbeitrag in der «Schweiz am Sonntag» kann ich einfach nicht anders, als Ihnen zu schreiben. Denn was Sie da sagen, hat mir zu denken gegeben. Ich musste Ihren Beitrag zwei Mal lesen, bevor mir klar wurde: Sie meinen das wirklich ernst.

Sie fordern, dass die Medienbranche zusammenstehen muss, um die Zeitungen zu retten. («Mehr Zusammenhalt und mehr Gemeinsamkeit ist nötig»). Das können Sie gerne machen. Es wird aber nichts nützen, wenn Sie nicht auch einen grossen Schritt nach vorne tun. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie Zeitungen dadurch retten wollen, dass der Vertrieb dank der Zusammenführung mit der Post billiger wird. Aber: Sie setzen mit Ihrem Fokus auf gedrucktes Papier die Zukunft des Journalismus aufs Spiel. Denn guter Journalismus ist grundsätzlich vom Träger unabhängig.

Ich höre Sie schon sagen: «Aber im Internet verdienen wir kaum Geld!». Das stimmt. Das allerdings zu Recht. Für das, was Schweizer Verlage heute online bieten, bin ich nur sehr beschränkt bereit, Geld zu bezahlen. Dabei gebe ich sehr viel für digitale Medieninhalte aus – im Ausland.

Es ist mir klar: Ich habe es auch viel einfacher als Sie. Ich besitze keine Druckmaschinen, die ich amortisieren muss (ich bin seit 2000 freie Journalistin und arbeite seit 2010 Teilzeit am MAZ). Mich interessiert deshalb weniger, wie das Papier zum Leser kommt, sondern vielmehr wie der Leser oder die Userin gut informiert werden.

Das Beispiel der Uhrenbranche, auf das Sie hinweisen, ist interessant. Es wird sich erst dann etwas ändern, wenn die Medienbranche die Lektion lernt. Aber nicht nur die, die Sie erwähnen. Sondern: Wir müssen gute – bessere! – Produkte machen, die die Leute haben wollen und für die sie bereit sind zu zahlen. Erinnern Sie sich, wie die Leute für die ersten Swatch-Uhren vor den Läden campiert haben?

Davon sind wir weit entfernt. Der Weg dahin führt nicht über das Zusammenstehen, mehr Gemeinsamkeiten und der damit verbundenen Verwaltung des Niedergangs, sondern über einen grossen Schritt vorwärts: Wir müssen unsere Produkte besser machen und sie vor allem den Leuten so anbieten, wie sie sie gerne hätten – und wenn Informationen auf Papier nachgefragt werden, gerne auch gedruckt (ich habe mal einen Vorschlag gemacht, wie das gehen könnte).

Worüber ich dann schmunzeln musste, ist Ihre Aussage: «Erstmals steht eine Frau an der Spitze des Verbandes Schweizer Medien, eine Präsidentin führt Media Suisse, vielleicht ist das eine Hoffnung, dass mehr Weibliches das männlich Kriegerische in unserer Branche relativiert oder gar vertreibt.»

Lieber Herr Lebrument, sind Sie wirklich so verzweifelt, wie sich das liest? So wenig wie das iPad die Branche gerettet hat, werden es die Frauen tun (oder in diesem konkreten Fall DIE Frau, obschon ich ihr und uns das natürlich von Herzen wünsche). Medien retten können nur Leute, die im Sinn der Sache denken, eine Vision haben und diese Vision in Taten umsetzen. Das können auch Männer. Oder Männer und Frauen gemeinsam. Wenn man sie denn lässt.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, mir und uns allen eine gute Zukunft für die Medien!

Mit freundlichen Grüssen, Ihre Alexandra Stark

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Kommentare

  1. Gut geschrieben Alexandra und genau richtig gedacht! Mein Replik war etwas kürzer und weniger stark argumentiert 🙂

    @oswaldmartin: .@andy_lehmann @nick_luethi @schweiz_sonntag jede Minute, in der sich Herr Lebrument Gedanken über den Versand von Papier macht, sind verpasste Minuten, um den #Journalismus auf digitalen Vektoren weiterzuentwickeln!

    Gruss, Martin

  2. Sehr gute Replik. Ich gebe ebenfalls eine anständige Summe für digitale Medienprodukte aus, und keines davon ist aus der Schweiz.

  3. Voll einverstanden! Erst jetzt, da ich nicht mehr Journalist sondern gewöhnlicher Medienkonsument bin, wird mir bewusst, wie am Leserinteresse vorbeigeschrieben wird (ich schliesse mich hier ein). Das hat auch damit zu tun, dass viele Verleger zwischen Zeitungen und Zahnpasta keinen Unterschied machen.

  4. Guter Text. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er zumindest teilweise nicht an den oder die Falschen gerichtet ist. Ist es Aufgabe des Verlegers Journalismus zu bewahren und Visionen zu entwickeln, wie publizistische Qualität langfristig auch Online erhalten bleiben kann. Ist das nicht vielmehr die Aufgabe der (Chef)Redaktionen? Wo bleiben praktikable Vorschläge, wie mit Qualität genug Reichweite erzielt und/oder genug Geld verdient werden kann? Es bringt nicht viel, bloss zu warten und den Abbau auf den Redaktionen zu beklagen, wir müssen uns aktiv einbringen und konkrete Vorschläge mit nachvollziehbaren und überprüfbaren Zielen erarbeiten. Ich bin sicher, dass wir damit (mit Zahlen und nicht mit Idealen und Wünschen) auch Verleger überzeugen davon können, dass es sich lohnt in (online)Journalismus zu investieren. Vermutlich ist das das große Geheimnis von Hansi Voigt, dass er die Sprache der Verleger sprechen kann.

    1. Lieber Christian! Das ist eine gute Frage! Warum sollte sich ein Verleger für Journalismus interessieren? Hauptsache, die Kohle stimmt! Wenn sich die Verleger nicht mehr dafür interessieren, werden es auch die von ihnen eingesetzten Chefredaktoren nicht mehr tun. Denn die können überleben nicht lange, wenn sie gegen die Interessen des Verlegers arbeiten. Was du schreibst, stimmt natürlich: Die Kasse muss stimmen. Ich bin wie gesagt gerne bereit, für digitale Inhalte zu zahlen. Aber dann müssen sie einfach besser sein und nicht copy-paste aus dem Print übernommen. Ich würde übrigens seit langem gerne schon zahlen. Aber selbst wenn man will: Man kann gar nicht…! Und ich hoffe natürlich sehr, dass Hansi bald sein Geheimnis lüftet und wir davon lernen können – mal sehen ob das funktioniert!